Joachim Isernhagen, Geschäftsführer der Beratungsagentur Isernhagen & Partner und Referent bei der Veranstaltung, erläutert im Interview, wie Herausforderungen den Markt verändern werden und wie sich Vermittler darauf einstellen können.

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Frage: Herr Isernhagen, zum Auftakt unsres Gesprächs gleich eine Doppelfrage: Wie werden sich Ihrer Meinung nach die Vertriebskanäle – insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Regulierungsvorhaben (IMD2, MiFID, PRIIPs-Verordnung) – in naher Zukunft entwickeln? Wird es hier signifikante Veränderungen geben, ähnlich dem „Maklersterben“ in Skandinavien oder Großbritannien? Und zweitens: Werden kleinere Agenturen den Herausforderungen – verschärfte Regulierung, zunehmender Wettbewerb, komplexere Produkten und steigender Kostendruck – gewachsen sein oder wird es zu einer Konsolidierung der Versicherungsagenturen kommen?

Joachim Isernhagen: Meine Antwort zu Ihrer ersten Frage ist zunächst einmal „Ja“. In Großbritannien, wie auch in anderen Ländern Europas, gibt es die starken Ausschließlichkeitsorganisationen wie bei uns nicht. Daher ist das dortige Maklersterben – und das passt dann zur zweiten Frage – vergleichbar mit dem was bei uns heute schon im AO-Vertrieb passiert und sich massiv verstärken wird: das Sterben vieler kleiner Agenturen. Dies ist in etwa vergleichbar mit der Entwicklung im Handel. Als 1973 die Preisbindung fiel, starben infolgedessen eine Vielzahl der traditionellen „Tante-Emma-Läden“. Bis etwa Mitte der 80er Jahre entstanden dadurch Großflächen, wie wir sie heute oftmals finden. Genau das Gleiche wird in der Versicherungswirtschaft passieren. Wir werden in den nächsten Jahren Zehntausende von Vermittlern verlieren, die es einfach nicht schaffen, sich betriebswirtschaftlich „am Leben zu halten“. Ausnahmen wird es immer geben; entscheidend ist die Qualität der handelnden Personen. Diese Marktbereinigung – so bitter sie für viele sein wird – eröffnet starken Vermittlern neue Chancen.

Frage: Ein weiteres wichtiges Thema ist zweifelsohne das Thema ‚Qualifizierung‘. Die Brancheninitiative „gut beraten“ versucht gerade proaktiv den Forderungen des IMD2-Richtlininenentwurfs vorzugreifen und ein Weiterbildungssystem für den Vertrieb zu installieren. Wie schätzen Sie die Bemühungen von „gut beraten“ ein und werden die angestrebten Maßnahmen die Vertriebsqualität erhöhen? Können es sich kleinere Vermittler überhaupt leisten, eine Woche pro Jahr (40 Punkte) in Weiterbildung zu investieren und in dieser Zeit keine Kapazitäten für die Beratung zu haben?

Joachim Isernhagen: Also zunächst einmal ist die Initiative „gut beraten“ ja eigentlich etwas, das vor zehn bis 15 Jahren bei starken Vermittlern bereits stattgefunden hat. Die haben sich immer weitergebildet und eine hohe Beratungsqualität an den Tag gelegt. Das jetzt auf das breit angelegte Konzept „gut beraten“ zu überführen, führt natürlich dazu, dass viele Vermittler gezwungen werden, sich mit der Thematik Weiterbildung verstärkt auseinanderzusetzen und sich selbstkritisch in Frage zu stellen. Und das auch vor dem Hintergrund: „Bin ich in der Lage, die Komplexität zu beherrschen und bin ich in der Lage, ein kompetenter Berater für meine Zielgruppen zu sein?“

Frage: Sie befürworten die Initiative demnach schon, sehen es aber nicht als elementare Neuerung, sondern als einen neustrukturierten Ansatz, um die Qualität zu erhöhen?

Joachim Isernhagen: Ja genau, eher ein bisschen Druck, der für die Masse der Vermittler entsteht, sich verstärkt mit der Thematik auseinanderzusetzen, weil sie sich eben bisher mehr oder weniger – man könnte fast sagen – „durchgewurschtelt“ haben. Nun sind sie einfach gezwungen, sich in einem stärkeren Maße selbst in Frage zu stellen. Bin ich in der Lage den Erwartungen des Marktes, der Verbraucher fachlich und persönlich Rechnung zu tragen? Insofern ist das eine gute Entwicklung, die ja auch ein bisschen im Kontext steht zu den Entwicklungen zum Thema „ehrbarer Kaufmann“, die aktuell durch den BVK und den AVV vorangetrieben werden. Es wird also immer wichtiger, sich zu positionieren und sich von der Masse abzuheben. Auch das ist ja eine recht positive Entwicklung.

Frage: Ein Thema, das uns nicht loszulassen scheint, ist der Online-Vertrieb. Aktuelle Marktentwicklungen zeigen u.a. einen deutlichen Zuwachs der Informationsbeschaffung als auch des Abschlusses über Vergleichsportale. Wie kann sich ein Vermittler Ihrer Meinung nach hier qualitativ überhaupt noch abheben und das Argument des „günstigsten Preises“ schlagen?

Joachim Isernhagen: Zunächst einmal zum Thema Online: alle sind gefordert, das Thema Online und Offline intelligent miteinander zu verbinden. Das gilt für die Gesellschaften, wie auch für die Vermittler. Vermittler werden also gezwungen sein, in einer noch konsequenteren Weise Kundenorientierung wirklich zu leben. Ein Kundenbetreuungskonzept mit festgelegten Rhythmen in der Kundenbetreuung und differenzierten Servicestandards, das ist eher die Ausnahme.

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Frage: Naturgemäß gibt es erfolgreiche und weniger erfolgreiche Vermittler am Markt. Was sind, aus Ihrer langjährigen Erfahrung in der Beratung von Vermittlern, entscheidende Erfolgskriterien bzw. welche klassischen Fehler werden nach wie vor regelmäßig begangen?

Joachim Isernhagen: Sowohl bei Maklern, aber insbesondere auch in der Ausschließlichkeit ist die persönliche Qualität eigentlich noch mehr gefordert als in der Vergangenheit. Denn Online-Vertrieb bedeutet natürlich auch, dass jemand, der seinen Berater oder seine Kontaktperson nicht besonders respektiert oder akzeptiert, noch überzeugter in das Online-Geschäft geht. Er löst sich von demjenigen, der ihn bisher mit ein, zwei Verträgen mehr oder weniger betreut hat. Das heißt, entweder suche ich mir als Kunde meinen Berater oder ich gehe vermehrt über Onlineportale, weil ich die Qualität an Gesprächspartnern, die ich mir vorstelle, nicht bekomme. Insofern heißt die Antwort: Die persönliche Qualität der handelnden Personen bestimmt den Erfolg auf der Beziehungsebene zu Kunden und die Beherrschung der Prozesse und der Organisation bestimmen den Erfolg auf der Sachebene. In Zukunft werden noch umfassender als heute Prozesse auf die Vermittler vor Ort verlagert. Das können nur starke Vermittler leisten – und müssen dafür auch vergütet werden.

Herr Isernhagen, vielen Dank für das Interview!

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