1995 wurde die Pflegeversicherung 1995 für alle als Pflichtversicherung eingeführt. Seinerzeit wurde die Pflegeversicherung an die Krankenversicherung angegliedert. Einhergehend damit gibt es, vergleichbar mit dem Gesundheitssystem, auch im Bereich der Pflegeversicherung eine Zweiteilung - gesetzliche Pflegeversicherung und private Pflegeversicherung.

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„Das Grundprinzip ist: Pflege- folgt Krankenversicherung, sonst schafft man nur unnötige Bürokratie. Das war bei der Einführung der Pflegeversicherung richtig, und das ist auch heute noch so.“, schreibt das Bundesminister für Gesundheit und Pflege auf Anfrage des ARD-Magazins PlusMinus.

Gesetzlich Versicherte bezahlen den Beitrag, analog zur Krankenversicherung, prozentual vom Bruttolohn. Da die kompletten Beiträge der sozialen Pflichtversicherung in die Finanzierung der Pflege fließen, orientiert sich die Höhe des Beitrags an den Ausgaben. So sollen zeitnah die Beiträge um 0,5 Prozent angehoben werden, um eine bessere Pflege mit mehr Personal zu garantieren. Das sieht der aktuelle Koalitionsvertrag vor. Geplant ist auch ein Vorsorgefonds für spätere Zeiten.

Pflegeversicherung: Umlageverfahren vs. Altersrückstellung

Bei Privatversicherten richten sich die Beiträge am Risiko des Versicherten. Ergo bezahlen junge, gesunde Privatversicherte weniger Beitrag in die Pflegeversicherung, als ältere Versicherte, mit einem höheren Risiko.

Im Gegensatz zur sozialen Pflegeversicherung werden die Beiträge nicht in einem Umlageverfahren komplett zu Finanzierung der Ausgaben genutzt, sondern fließt ein Teil der Beiträge in die Altersrückstellung, um steigende Beiträge im Alter abzupuffern. Da aktuell viele junge Versicherte in der privaten Pflegepflichtversicherung sind, ist der Topf aktuell mit rund 26 Milliarden Euro gefüllt. Das belegen Zahlen des PKV-Rechenschaftsbericht 2012.

Die Rechnung für viele Vertreter der sozialen Pflegeversicherung ist einfach. Auf der einen Seite fehlt Geld, was auf der anderen Seite zur Genüge vorhanden ist. Warum sollte man sich nicht einfach am anderen Topf bedienen? Doch ist das nicht zu kurzsichtig gedacht?

Armin Lang, der Landesvorsitzende des VdK im Saarland, sieht in dem aktuellen System zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung mehr als eine Ungerechtigkeit. So würden im Bereich der Pflegeversicherung Menschenrechte auch verletzt, weil einfach zu wenig Geld zur Verfügung stehe, kritisiert Lang. Das sei ein Skandal. Dabei sei eigentlich genug da. Schließlich sitzt die private Pflichtversicherung auf Rücklagen von rund 26 Milliarden Euro. Dieses Geld fehle der Pflege, so Lang weiter.

Ungleichbehandlung der Pflegeversicherung muss korrigiert werden

Für Lang ist eines klar: Die aktuelle Ungleichbehandlung hätten die Väter und Mütter der Pflegeversicherung am Anfang nicht bedacht. „Dies muss heute korrigiert werden, weil wir nämlich jetzt 20 Jahre weiter sind und wissen, dass hier ein ganz, ganz großer Skandal lauert.“, fordert der Landesvorsitzende des VdK. Als Beleg für seine These fügt er ein dreimal geringeres Pflegerisiko der privaten im Vergleich zur gesetzlichen Pflegeversicherung an. So müsse Mangels Geld an Hilfsmitteln, wie zum Beispiel elektrische Schiebehilfen, gespart werden.

In die gleiche Kerbe schlägt Gesundheitsökonom Professor Dr. Heinz Rothgang. Für das Mitglied im Pflegebeirat führt die Ausgliederung der privaten Versicherung zu einer ungerechten Schieflage im System. „Was hier passiert, ist, dass wir die Bevölkerung einteilen. Und in die eine Versicherung, die private, kommen die guten Risiken: die Jüngeren, die Einkommensstärkeren, die Gesünderen. In den anderen Zweig kommen die Kränkeren, die Älteren, die Einkommensschwächeren. Und jede Gruppe ist nur für sich solidarisch", kritisiert er gegenüber Plusminus.

Besonders deutlich werde diese Schieflage, wenn man die Ausgaben vergleicht. Während die soziale Pflegeversicherung umgerechnet nur 75 Euro pro Versichertem ausgibt, kostet ein Versicherter in der sozialen Pflegeversicherung über 300 Euro und das obwohl alle Pflegeversicherten die gleichen Leistungen erhalten. Das geht aus dem Pflegereport der Barmer GEK hervor.

Professor Rothgang würde lieber heute, als morgen beide Töpfe zusammenführen. Sollte es zu einer Fusion kommen, so müssten die Beitrage für sozial Versicherte, laut seinen Berechnungen, derzeit nicht und auch künftig deutlich weniger erhöht werden. Jedoch sei dies offenbar politisch nicht gewollt. „Ich kann mir das nicht erklären. Ich kann es nur politisch versuchen zu verstehen. Und da muss man sagen: Die Privatversicherung ist schon eine starke Interessengruppe, der es gelingt, ihre Interessen auch ordentlich durchzusetzen", so der Gesundheitsökonom.

Neuer Koaltionsvertrag ohne Ausgleich der Systeme

Ein Punkt liegt den Kritikern des dualen Systems besonders schwer im Magen. Im Koalitionsvertrag anno 2005 wurde ein Ausgleich beider Systeme geregelt. Dieser fiel im aktuellen Koalitionsvertrag komplett weg.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe will nun eine Reform der Pflegeversicherung vorantreiben. „Eine menschliche Gesellschaft zeigt sich gerade darin, wie sie mit Pflegebedürftigen, wie sie mit Kranken umgeht und deshalb wollen wir diesen Kraftakt jetzt umsetzen, da ist sich die Koalition einig“, erklärte der Bundesgesundheitsminister im Rahmen des deutschen Pflegetags.

Zwangsenteignung aller Privatversicherten?

Doch so einfach, wie sich die Kritiker eine Umverteilung der Gelder vorstellen, ist der Sachverhalt bei weitem nicht. Schließlich haben Privatversicherte über Jahre persönliche Altersrückstellungen angespart. Dementsprechend käme eine Umschichtung einer Zwangsenteignung aller Privatversicherten gleich. Auch die Kalkulation der Privaten Pflegeversicherung ad absurdum zu führen, wäre mehr als scheinheilig. Immerhin kommen die Belastungen, wenn auch etwas verspätet, auch auf die privaten Versicherer zu.

Oft wird an dieser Stelle ein altes Schubladendenken herangezogen - Privatversicherte sind Gutverdiener oder Beamte. Doch das ist nur eine Halbwahrheit. Lediglich 20 Prozent der rund 9 Millionen Privat Krankenversicherten haben Einnahmen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze und sind damit Gutverdiener. Rund 25 Prozent sind aktive Beamte. 15,7 Prozent sind selbständig tätig und 11,6 Prozent gehören zur Gruppe der Arbeitnehmer. Das Versichertenkollektiv besteht je zur Hälfte aus erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Personen, was sich vor allem aus dem relativ hohen Anteil der Kinder und älteren Versicherten in der PKV ergibt. Das belegen Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes seitens des wissenschaftlichen Institut der PKV (WIP).

Speziell an der Stelle, an der über eine Fusion der Systeme nachgedacht wird, vergessen viele die nichterwerbstätigen Personen, wie zum Beispiel Kinder. Diese sind mit knapp 10 Prozent in der PKV und damit auch in der privaten Pflegeversicherung vertreten. Bei einer Änderung auf ein soziales System würden diese Beitragszahler zu Mitversicherten in der GKV. Auch der Part der Rentner würde das einheitliche System eher be- als entlasten.

Einheitliches Pflegesystem löst Probleme nicht

Ob eine Umschichtung das Problem der Pflegeversicherung in Gänze löst, darf bezweifelt werden. Denn die aktuell größten Probleme sind die demographische Entwicklung, der Mangel an Pflegepersonal und die Erweiterung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der nun, sinnvoller Weise, einige Leistungen mehr mit integriert hat. Diese Leistungen müssen jedoch auch finanziert werden. Wohlgemerkt betreffen diese Punkte beide Systeme.

Gleichwohl die neue Bundesregierung mit dem angedachten Vorsorgefonds einen Schritt in die richtige Richtung geht. Auch die Einführung des Pflege-Bahrs, der staatlich geförderten Pflegeversicherung, ist ein weiterer Schritt in zur Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema Pflege. Auch an dieser Stelle ist mehr Eigenverantwortung gefordert.

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Sicher wurden bei der Erarbeitung des aktuellen dualen Systems Fehler gemacht. Diese, mit viel Polemik geführte, Diskussion durch eine Kurzschlussreaktion, zu Lasten der Privatversicherten, zu lösen wäre nicht nur rechtlich fragwürdig. Es würde das Problem der Pflege nicht lösen, sondern nur kurzfristig nach hinten verschieben.

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