Gut, dass Geheimdienste gern durch Schlüssellöcher gucken und sich für Liebesdinge interessieren, ist bekannt. Schon die Stasi heuerte Escort-Damen an, damit sie den Diplomaten in Ostberliner Hotelbetten pikante Informationen entlocken. Ein wenig Abwechslung sei den Agenten gegönnt, wo sie sich doch sonst mit so langweiligen Sachen wie den Telefonaten der Bundeskanzlerin beschäftigen müssen. Und fast waren wir erleichtert, als wir vom Pornokonsum der NSA gelesen haben. Es ist ja gar kein anonymer Überwachungsapparat! Dort arbeiten Menschen mit echten Bedürfnissen! Sogar eine neue Charmeoffensive hatten wir uns für die NSA einfallen lassen, damit verloren gegangenes Vertrauen wieder hergestellt werden kann: „Wir sind der Geheimdienst, der mit einer Hand spitzelt“.

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Aber so einfach ist die Sache dann doch nicht. Denn die NSA verfolgt mit ihrem Konsum der Schmuddelfilmchen gar nicht die Absicht, das eigene Bedürfnis nach Zärtlichkeit zu kompensieren. Man will stattdessen den Internetkonsum von Zielpersonen auskundschaften, um diese mit persönlichen Enthüllungen in Misskredit zu bringen. Im Fall des veröffentlichten Snowden-Dokuments betraf dies sechs radikale Muslime, die in den USA als Hassprediger gelten. Wenn ein Islamist „sexuell freizügiges Material“ im Netz ansehe oder im Gespräch mit jungen Mädchen einen allzu koketten Tonfall wähle, dann könne damit Glaubwürdigkeit und Ansehen der Person in der Glaubensgemeinschaft unterwandert werden, argumentiert die NSA.

Weil aber in dem Schriftstück des voyeuristischen Geheimdienstes nicht nur radikale Islamisten als Überwachungsziele aufgeführt sind, sondern auch ehrbare Bürger wie etwa Beamte des Justizministeriums oder hochrangige Behördenmitarbeiter, warnen Überwachungsgegner vor den Konsequenzen. Das NSA-Dokument würde beweisen, dass der Geheimdienst fähig und auch gewillt sei, Personen mit Schmutzkampagnen bloßzustellen. Was etwa, wenn kurz vor einer wichtigen Wahl der Pornokonsum eines unliebsamen Politikers öffentlich wird? Wer sagt denn, dass derartige Kampagnen nicht auch gegen Regierungskritiker, Bürgerrechtsaktivisten oder Rechtsanwälte Anwendung finden?

Die Enthüllungen geben Anlass zur Sorge, sagt Jameel Yaffer, stellvertretender Vorsitzender der Amerikanischen Bürgerrechtsunion (ACLU). „Die NSA weiß alles über dich. Wo immer du dich aufhältst: die NSA speichert Informationen über deine politischen Ansichten, deine Krankengeschichte, deine intimen Beziehungen und deine Online-Aktivitäten“. Zwar beteuere der Geheimdienst, dass intime persönliche Daten nicht missbraucht werden. „Aber das Dokument beweist: „Missbrauch“ interpretiert die NSA in einem sehr engen Sinne.“

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Wir machen uns eher Sorgen um die Effizienz des amerikanischen Geheimdienstes, denn in Deutschland müsste eine derartige Kampagne versagen. Hat die NSA etwa in all den Jahren das Handy von Horst Seehofer nicht abgehört? Glauben die wirklich, man könne hierzulande mit intimen Enthüllungen eine Karriere ruinieren, wo doch selbst dem Chef der konservativen CSU eine Affäre und ein uneheliches Kind nicht geschadet haben? Wir sagen: Keine Chance, eine derartige Schmutzkampagne würde dem Betroffenen eher Sympathiepunkte einbringen. Es ist erschreckend, wie wenig die NSA über die Bürger in Deutschland weiß.

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