Versicherungsbote: Der Makler kommt zum Kunden, spricht Absicherungsformen an und dokumentiert. Werden auch Betreuungsvollmacht und Patientenverfügung angesprochen, überschneiden sich rechtliche Fragestellungen und die Aufgaben des Versicherungsmaklers. Können daraus Haftungsrisiken entstehen?

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Karsten JunghansKarsten Junghans Karsten Junghans, Vorstand der TuTus AG.Karsten Junghans: Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Der Mann ist Hauptverdiener. Die Absicherung Familie hat Priorität. Risikoleben, Unfall, BU für den Ernährer – alles wird zum Schutz der Familie abgeschlossen. Das Problem: Ereignet sich beispielsweise ein Unfall, der Versi­cherte ist im Koma und es liegt keine Vorsorgevollmacht vor, wird ein gesetzlicher Betreuer eingesetzt. Das Vermögen muss nun getrennt werden. Die Frau hätte in einem solchen Fall nur noch Zugriff auf ihr eigenes Vermögen. Den Besitz des Mannes muss sie – auch wenn sie selbst Betreuerin ist – sofort trennen und darf sich selbst aus dem Besitz ihres Mannes nichts herausnehmen. Die Versicherer zahlen an den Mann aus.

Und die Familie, die eigentlich geschützt werden sollte, kommt nicht an das Geld heran. Die Summe liegt auf einem Sperrkonto und darf nicht dafür verwendet werden, dass Führerschein oder Ausbildung für die Kinder bezahlt werden. Wenn also in einem Beratungsprotokoll eines Versicherungsmaklers dokumentiert wurde: „Wir wollten die Familie absichern“ – und genau das findet jetzt nicht statt – dann glaube ich, dass unter Umständen der Versicherungsmakler damit ein Haftungsproblem haben könnte.

Versicherungsbote: Das alte Rechtsberatungsgesetz gibt es nicht mehr. Aber dürfen denn Makler nach dem neuen Rechtsdienstleistungsgesetz in diesem Zusammenhang tätig werden?

Karsten Junghans: Makler können ihre Kunden über die rechtliche Problematik aufklären. Die Einzelfallprüfung obliegt weiterhin Notaren und Rechtsanwälten – das ist im Rechtsdienstleistungsgesetz geregelt. Eine Rechtsdienstleistung beginnt aber erst, wenn sie tatsächlich den Einzelfall berührt. Das heißt konkret: Ich darf einem Kunden nicht sagen, wie er seine Patientenverfügung formulieren soll. Aber ich kann ihn grundsätzlich darüber aufklären, wie wichtig es ist, eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht zu haben.

Versicherungsbote: Für Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten gibt es keine Formerfordernis. Sie müssen nur schriftlich sein und bei vielen Anbietern können kostenlose Vordrucke aus dem Internet heruntergeladen werden. Was ist das Besondere bei Ihrem Modell?

Karsten Junghans: Wir haben anwaltlich erstellte Fragebögen, die nicht nur mit Ankreuzmöglichkeiten arbeiten. Wir nutzen Textbausteine, sodass der Kunde lesen kann, was genau er da sagt. Dann wählt der Kunde aus, welche Bausteine verwendet werden sollen. Er gibt uns den Fragebogen und unsere Anwaltskanzlei übernimmt die eigentliche Rechtsdienstleistung und erstellt aus dem Fragebogen Vorsorgeverfügung und Patientenvollmacht. Aber das Entscheidende ist: Wenn so ein Dokument vorhanden ist, muss es im Notfall auch gefunden werden.

Patientenverfügung oder Vollmacht müssen im Zweifelsfall verfügbar sein

Versicherungsbote: Die Frage der Aufbewahrung ist also besonders wichtig – warum?

Karsten Junghans: Bei einer Notbehandlung wird der Patient erstmal stabilisiert. Weiterführende Maßnahmen werden erst eingeleitet, wenn der Arzt davon ausgehen kann, dass der Patient damit einverstanden ist. Sonst wäre es Körperverletzung. Ist im Notfall keine Vollmacht vorhanden oder nicht auffindbar, wird das Betreuungsgericht eingeschaltet, damit der Arzt die Behandlung fortsetzen kann.

Der zuständige Betreuungsrichter prüft im Vorsorge­-Register der Bundesnotarkammer, welche Dokumente vorhanden sind und wo sich diese befinden. Aber das physische Dokument ist dort nicht hinterlegt. Ist zwar ein Dokument vorhanden, aber nicht verfügbar, wird trotzdem ein Betreuer eingesetzt. Die Kernfrage lautet also: Wie hinterlege ich die Dokumente so, dass sie im Zweifelsfall verfügbar sind? Das ist die eigentliche Dienstleistung, die wir anbieten.

Versicherungsbote: Wie sieht Ihr Ansatz aus?

Karsten Junghans: Wir erstellen Dokumente oder der Kunde liefert uns eigene Dokumente. Diese Dokumente digitalisieren wir und stellen sie über einen 24 Stunden erreichbaren Dokumentenservice bereit. Durch neueste Sicherheits-­ und Datenschutzstandards hat dieser beim TÜV Rheinland die Zertifizierung nach der ISO 27001 erreicht. Neben einer Servicekarte für den Kunden hinterlegen wir die Telefonnummer unseres Dokumentenservice im Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. So wird sichergestellt, dass der behandelnde Arzt im Notfall die richtigen Dokumente bekommt.

Auch die Frage der Erreichbarkeit ist geklärt: Die Hotline ist 24 Stunden besetzt. Der Arzt wird identifiziert und die Dokumente werden zugestellt. Auf diese Weise kommt es nicht zu Betreuungsverfahren und der Arzt kann sofort handeln.

Versicherungsbote: Was kostet das?

Karsten Junghans: Die Erstellung der Dokumente kostet einmalig 199 Euro für eine Person. Für zwei Personen – Ehepartner, Lebensgefährten – 350,50 Euro. Sind eigene Dokumente vorhanden, kostet das Digitalisieren und auf der Plattform Bereitstellen einmalig 49,99 Euro – da ist dann neben der Digitalisierung auch die Eintragung im Vorsorgeregister enthalten. Nimmt der Kunde die Eintragung selbst vor, kostet das alleine ca. 18 Euro.

Unsere Notfallkarte enthält auch zwei Pflegeangebote: eine Pflege-­Hotline mit Pflegefachkräften, bei der der Karteninhaber erfahren kann, was zu tun ist, wenn Angehörige plötzlich zum Pflegefall werden. Und das zweite ist eine Pflegeheimplatz­-Garantie. Wird einer unserer Kunden ein Pflegefall, garantieren wir die Unterbringung in einem Pflegeheim innerhalb von 24 Stunden und in einem Umkreis von 50 Kilometern vom Wohnort.

Ab 01.06.2013 kommt eine Online­-Plattform hinzu, auf der der Kunde weitere Dokumente und Zusatzinformationen einstellen kann. Das können z. B. Informationen über Unverträglichkeiten, Allergien oder Erkrankungen sein. Auch wichtige Versicherungsverträge können online gestellt werden. Der Karteninhaber kann z. B. seinem Versicherungsmakler den Zugang zu den Versicherungsverträgen gewähren und ihm die Möglichkeit einräumen, verschiedene Dokumente einzustellen. Parallel dazu entsteht gerade eine entsprechende App.

Nebendienstleistung für Versicherungsmakler

Karsten Junghans: Der Makler kann diese Karte verkaufen und erhält dafür eine laufende Bestandspflege. Entweder monatlich oder jährlich – je nachdem in welchem Turnus. Solange der Kunde an uns zahlt, zahlen wir Provision an den Vermittler.

Versicherungsbote: Wie hoch werden die Courtagen für Vermittler sein? Lässt sich das schon sagen?

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Karsten Junghans: Zielsetzung ist nicht, dass der Makler nur noch Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht verkauft. Es sollte eine Nebendienstleistung sein. Wir zahlen komplett einheitlich – egal, ob der Makler eine Direktanbindung an uns hat, oder sein Geschäft über Pools einreicht – dieselben Konditionen. Es gibt eine Einmalprämie von bis zu 45 Euro für die Erstellung der Dokumente über uns. Und für die Kartenvarianten zahlen wir 60 Cent für die „kleine“ Karte (mtl. 5,95 Euro) und 90 Cent für die Karten­Variante mit Plattform­Zugang (mtl. 7,95 Euro).

Das Interview führte Michael Fiedler. Es erschien exklusiv im kostenlosen Versicherungsbote Fachmagazin zur LVFM im Mai 2013.

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